Die Nation im Sinne des Standortnationalismus zu analysieren, ist nicht falsch, aber eine Reduktion. Das Treiben des Mobs geht jenseits der Kapitalakkumulation vonstatten. Auch der Nationalsozialismus lässt sich nicht damit erklären, dass hier die in der ökonomischen Konkurrenz vereinzelten Individuen nach kollektiver Identifikation strebten. Eine Kritik des Antinationalismus.
von »Initiative Gegen Jeden Extremismusbegriff« (Inex)
erschienen in Jungle World Nr. 44
Der Zukunft entgegen
Das »Supergedenkjahr« 2009 befindet sich auf dem Höhepunkt: 60 Jahre BRD und 20 Jahre Ende der DDR sind zu feiern. Zahllose fröhliche Veranstaltungen nationalistischer Provenienz finden hierzulande statt und provozieren den Widerspruch der hiesigen Linken.
Die Abwehr des nationalistischen Taumels ist dabei common sense, und doch tun sich Differenzen darüber auf, wie dieser Taumel zu interpretieren ist. Das Bündnis »Um’s Ganze« sieht hierin die Mobilisierung des Staatsvolks zur Identifikation mit der Nation und zur Sicherung des »Standorts Deutschland« in der globalen Weltmarktkonkurrenz. Den Kern sieht es demgemäß im Nationalismus als Standortlogik. In diesem Sinne organisierte das Bündnis eine antinationale Kampagne zu den »Wendefeierlichkeiten 2009« unter dem Motto »Staat. Nation. Kapital. Scheiße!« – mit größeren Demonstrationen am 23. Mai und 7. November 2009 in Berlin – und veröffentlichte jüngst eine Broschüre mit dem Titel »Staat, Weltmarkt und die Herrschaft der falschen Freiheit. Zur Kritik des kapitalistischen Normalvollzugs«.
In Leipzig wiederum formierte sich ein Bündnis aus mehreren Leipziger Gruppen (inkl. Inex), um ebenfalls eine Kampagne zu den »Wendefeierlichkeiten 2009« zu lancieren, die unter dem Titel »Still not lovin’ Germany« läuft. Im Zentrum dieser Kampagne stehen die deutsche Mythenbildung und ihre Repräsentation im Jahre 2009. Wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Aufrufs des Leipziger Bündnisses kritisierte die Berliner Gruppe TOP (»Um’s Ganze«) dessen vermeintliche Ausrichtung auf bloße Phänomene des deutschen Nationalismus. In einer Mail an den AK 2009 heißt es: »Gerade hierdurch besteht die Gefahr, dass sich eine ausschließliche Kritik am deutschen Nationalismus und seinen Widerlichkeiten in konstruktive Kritik für die deutsche Nation verwandelt. Letztlich legt der Text die Forderung nach einem aufgeklärten liberalen Deutschland nahe.«
Weder unterstützt das Bündnis »Um’s Ganze« den Leipziger Aufruf noch hat Inex den Kampagnenaufruf von »Um’s Ganze« unterstützt. Beides waren Entscheidungen mit Gründen. Im Folgenden wollen wir die begonnene Diskussion aufgreifen und forcieren. Wir verteidigen den Leipziger Aufruf gegen die Kritik von TOP und kritisieren die »Um’s-Ganze«-Kampagne, vor allem den Antinationalismus, wie er von der Gruppe TOP und dem Bündnis »Um’s Ganze« formuliert wird und in der hiesigen Linken immer weiter um sich greift. (mehr…)